Wurmbefall bei Kindern

Parasitenbefall bei Kindern: Wenn der Wurm drin ist

SPIEGEL ONLINE, Hamburg, Germany


Wer kleine Kinder hat und mit anderen Eltern ins Gespräch kommt, ahnt schnell: Von Würmerbefall sind viele Familien betroffen. Aber weil das Thema so unappetitlich ist, reden nur wenige darüber. In Kitas und Grundschulen finden sich regelmäßig Warnungen vor Kopfläusen oder Infektionskrankheiten wie Scharlach - aber beim Thema Würmer herrscht meist vornehme Zurückhaltung. Aus verständlichen Gründen.

Denn allein die Beschreibung der Symptome und ihrer Ursachen nach einem Befall mit Madenwürmern, der am häufigsten vorkommenden Art, liest sich wie die Fortsetzung der berühmten "Alien"-Filmreihe: Nachts, wenn die betroffenen Kinder schlafen, kriechen die Weibchen aus dem Anus und legen ihre Eier um den Ausgang des Darmkanals ab. Dann sterben sie. Die männliche Madenwurmkolonie hat sich währenddessen weiter an der Darmwand des Wirts festgesaugt und lauert auf Nahrung.

Vor allem diese nächtlichen Ausflüge der lästigen Parasiten sind es, die die Kinder plagen. Durch die Aktivität entsteht ein Juckreiz am After, der oft einen Teufelskreis zur Folge hat, so Hermann Josef Kahl, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Den gilt es zu durchbrechen. "Die Kinder kratzen sich blutig, es bilden sich Entzündungsstellen, diese werden wieder aufgekratzt. So gelangen die Eier an die Hände und wieder in den Mund und die Kinder stecken sich immer wieder selbst an", sagt er. Hat man die Viecher einmal im Haushalt, können sich leicht weitere Familienmitglieder infizieren - auch Erwachsene.

Aber in erster Linie Kleinkinder handeln sich die bis zu knapp über einen Zentimeter langen weißen Würmchen ein - oft auf Spielplätzen, manchmal auch an Schulen oder in Kitas. Die Eier finden sich durch Spuren von infizierten Kotresten in der Erde oder im Sand und können auch an Spielzeug haften. Und leider haben Kleinkinder die verhängnisvolle Angewohnheit, sich buntes Sandspielzeug oder die Finger ständig in den Mund zu stecken.

Auch eine Infektion über die Atmung ist möglich: Die winzigen Eier schwirren in der Luft und können so in den Organismus gelangen. Schätzungsweise 20 bis 40 Prozent der Fünf- bis Neunjährigen waren 2012 gelegentlich Madenwurmträger. Weltweit werden etwa 50 Prozent aller Menschen mindestens einmal im Leben befallen.

Vereinzelt bekommen Eltern von Kinderärzten gesagt, dass Bio-Salat und andere ungespritzte Rohkost zunehmend der Verursacher sei, denn die Wurmeier, die über natürlichen Dünger wie Tierexkremente an die Bio-Kost gelangen, haften am Gemüse. Experten beurteilen einen Anstieg aber kritisch. "Wenn Bio-Salat zunehmend als Auslöser in Betracht kommen würde, dann müsste auch der Befall mit anderen, gefährlicheren Würmern angestiegen sein. Davon ist aber nichts bekannt", sagt Klaus Brehm von der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie. Zudem würde es dann auch verstärkt Erwachsene treffen. Belegen lässt sich das alles aber nicht, weil es zu den Infektionswegen keine Daten gibt.

Eine Ursache für eine Infektion mit Madenwürmern liegt wohl eher in mangelnder Hygiene. Denn Biorohkost sollte vor dem Verzehr gut gereinigt werden. "Findet das nicht ausreichend statt, kann man sich leicht anstecken", so Kahl. Der Kinderarzt berichtet generellen über einen zunehmenden Mangel von Hygienemaßnahmen bei Kindern. "Nach unserer Wahrnehmung wird das derzeit generell vernachlässigt", sagt Kahl. "Dabei kann regelmäßiges und richtiges Händewaschen mit Seife schon vor vielen Infektionen schützen."

Befall schon in der Steinzeit

Das alleine reicht aber nicht bei Wurmbefall: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt weitere Maßnahmen:

  • tägliches Wechseln von Unter- und Bettwäsche
  • Waschmaschinengänge bei mindestens 60 Grad Celsius
  • Betten auf keinen Fall ausschütteln: Das verteilt die Eier im Hausstaub.
  • Kindern die Fingernägel kurz schneiden - das verhindert nicht nur blutige Kratzstellen sondern auch Infektiöses unter den Nägeln

Bevor ein Arzt ein Anthelminthikum, ein Wurmmittel, verordnet, das in der Regel alle Würmer eliminiert, muss er aber sicher sein, dass ein Wurmbefall vorliegt. "Eltern sollten bei den Kindern morgens direkt nach dem Aufstehen und vor dem Toilettengang nachschauen - da sieht man die Würmer oft direkt", so Kahl. Die kriechenden Tiere, die die Menschheit schon seit Tausenden Jahren plagen, wie Archäologen nachgewiesen haben, sind manchmal aber auch mit bloßem Auge im Stuhlgang zu erkennen.

Wer unsicher ist, ob die Kinder befallen sind, kann eine weitere Methode anwenden: Dabei wird ein gewöhnlicher Klebestreifen morgens direkt nach dem Aufstehen auf den Bereich um den After geklebt und wieder abgezogen. Auf einen Objektträger fixiert, kann der Kinderarzt dann später in der Praxis unter dem Mikroskop nachsehen, ob an der Probe Eier haften. Doch auch hier können die Parasiten nicht mit hundertprozentiger Sicherheit nachgewiesen werden. In Zweifelsfällen kann auch ein Nachweis per Stuhlprobe im Labor gemacht werden.

Ernste gesundheitliche Folgen sind bei einem Madenwurmbefall kaum zu befürchten. Komplikationen wie Entzündungen der Darmschleimheut oder gar eine Darmverschlingung oder Bauchfellentzündung kommen nur sehr selten vor. Neben Ekzemen im Analbereich kann es aber bei Frauen und Mädchen zu Entzündungen im Vaginalbereich kommen.

Der Befall mit weiteren Wurmarten ist dagegen seltener und mit anderen Symptomen verbunden. Erkrankungen mit dem regenwurmgroßen Spulwurm und anderen Fadenwurmarten sowie etwa dem gefährlichen Fuchsbandwurm können dafür deutlich dramatischer verlaufen und fordern sogar Todesoper.


Zusammenfassung: Der Befall mit Madenwürmern ist meist harmlos - aber gerade für kleine Kinder unangenehm. Sie stecken sich immer wieder selbst an, wenn sie sich am Po kratzen und die Eier der Tiere an den Fingern haften. Bei der Therapie sind neben einem Medikament zusätzlich entsprechende Hygienemaßnahmen notwendig.

 

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